Atelier Berndt Kulterer
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Zeitungsbericht 29.04.16
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Liekfeld - Rapetti
Christine Wetzlinger-Grundnig


Marlies Liekfeld-Rapetti

Runde Sache


Zwei wesentliche Merkmale, die das künstlerische Werk von Marlies Liekfeld-Rapetti kennzeichnen, sind der „Zufall“ und der „Wandel“. Der Wandel verstanden im Sinn von prozessualer Veränderung und der Zufall als nicht nur ungeplantes, überraschendes Ereignis, sondern, wörtlich verstanden, als Zufallen. Gemeint ist das Vorfinden von entweder materiellen Dingen an denen sich die Intuition der Künstlerin entzündet oder von immateriellen Desideraten, von Ideen. Beide zusammen lenken die Arbeit auf immer neue Wege und wenn man diese verfolgt, steht man heute vor einem homogenen Oeuvre in dem sich die einzelnen Ent­wicklungsphasen eng und schlüssig aneinander binden.


Technologisch geprägt ist das Werk durch den primären Werkstoff Papier und die speziellen Erfordernisse im artifiziellen Umgang damit. Das Papier ist bei Malies Rapetti nicht bloß „dienendes“ Mittel, Bildträger im klassischen Sinn, sondern es wird als Mittel mit künstlerischem Eigenwert eingesetzt. Das Papier ist das Material, aus dem das Werk selbst entsteht.

Papier ist ein äußerst sensibler Rohstoff mit großen sinnlichen Reizen. In der Ver­arbeitung ist es höchst anspruchsvoll. Es verlangt Empfindsamkeit. Jede Spur der Bearbeitung zeichnet sich penibel ab. Selbst die Einwirkung von natürlichen Faktoren der Umgebung wie Licht oder Luftfeuchte verändern seine Beschaffenheit.

Die Künstlerin hat besondere Techniken entwickelt: Das Papier wird in nassem Zustand aufbereitet. Es kann in Verbindung mit anderen natürlichen Materialien wie z.B. Maisblättern verwirkt oder verwebt werden; es kann zu dia­phanen Häuten geschichtet werden oder es werden Abformungen von Gegen­ständen hergestellt. Das können Fundstücke, etwa alte Holzteile oder metallene Gerätschaften, sein. Häufig werden auch von Kleiderpuppen Körperformen abgenommen.

Dazu werden in einem Recyclingvorgang Papierstreifen in mehreren Durchgängen in einer Flüssigkeit mit Farbzusatz getränkt, um anschließend auf Trägerformen gelegt und eventuell modelliert zu werden. Die Beschaffenheit des Materials, die spezifische Stofflichkeit, die Faserung, die Eindrücke der manuellen Bearbeitung bedingen unterschiedliche Relief­strukturen, die sich an der Oberfläche ausprägen. Nach dem Trocknen wird die papierene Schale vom Modell wieder abgeschält und fallweise bemalt. Während des Trocknungsvor­ganges hat sich das Papier zu einer feinen Haut gewandelt, die in ihrer Fragilität an die Verletzlichkeit der menschlichen Körperhülle erinnert. Das Resultat ist ein zartes, äußerst empfindliches, ein leichtes, beinahe gewichtsloses Stück. Durch die mannigfaltige, unterschiedliche Charakterisierung entstehen differente organische Ausformungen mit unterschiedlicher materieller Struktur und jeweils verschiedener, sensibel nuancierter Farbigkeit.


Die dermaßen hergestellten Artefakte sind von begrenzter Lebensdauer. Papier ist ein transitori­sches, ephemeres Mittel. Die Ver­gänglichkeit ist dem Werk von Marlies Rapetti inhärent, sein Verfall ist bewusst einkalkuliert. Die papierenen Häute altern im Laufe der Zeit wie die menschliche Haut. Sie wandeln sich stetig bis zum end­gültigen physischen Ruin.

So verbindet sich der Werkstoff und die Technik in idealer Weise mit der zentralen inhaltlichen Auseinandersetzung, die, wie so oft bei österrei­chischen Künstlerinnen und Künstlern, auch bei Marlies Rapetti die Beschäftigung mit dem menschlichen Körper und damit untrennbar verbunden mit der eigenen Existenz betrifft.

Ob in Körperfragmenten wie in Torsi, Häuten, Brüsten, Fingergliedern, Zungen oder Organen, oder in den Formen der „Gehüllten“, der „Mumis“, der „Leibhautkleider“, der „Körperschalen“ usw., immer ist die Frage nach dem Körper, naturgemäß nach dem eigenen, dem weiblichen Körper „als Ort der Verwundung, des Schmerzes, als Objekt der Gewalt sowie der ästhetischen und erotischen Wirkung, als Ort männlicher Projektion und der eigenen weiblichen Wahrnehmung“ (Marlies Rapetti) im Mittelpunkt der Arbeit.

Die Papierobjekte – vielgestaltiger sinnlicher, visueller und haptischer Qualitäten – sind stets Metaphern für den Körper. Selbst wenn Marlies Rapetti, wie in letzter Zeit, papierene „Häuser“ baut, handelt es sich um nichts anderes als schützende Hüllen, um ein Substitut für die eigene Haut, die mit den Jahren immer dünner und brüchiger wird.


Die künstlerische Arbeit steht unmittelbar in Zusammenhang mit den eigenen Lebenserfahrungen als Frau, die natürlich im Kontext einer übergeordneten gesellschaftlichen Entwicklung betrachtet werden muss. Sie betrifft die wenigen „großen Fragen“, die das menschliche Sein in dieser Welt, das untrennbar mit dem fleischlichen Leib verbunden ist, bestimmen. Die Fragen nach dem Werden, dem Älterwerden und den damit einher gehenden Entwicklungen, vor allem den Veränderungen des Körpers bis hin zum Verfall und schlussendlich dem Tod, aber auch nach dem Erblühen, der Erotik und der Liebe.

Prägnante Werkserien stehen bei Marlies Rapetti immer mit persönlichen Lebens­phasen in Verbin­dung. Subjektive Entwicklung und Betroffenheit fließen, wie auch soziale und politische Aspekte, direkt in die künstlerische Arbeit ein.


In vergangenen Werkphasen hat die Künstlerin „Häute“ geschaffen, die unter­schiedliche körperlich-seelische Zustände konservieren. Diese „Häute“ können wie Kleider getragen werden, zeigen aber – im Widersinn zur eigentlichen Funktion eines Kleidungsstückes, das verbergen soll – den nackten, schutzlosen Körper, sogar das bloße Fleisch. Es geht also nicht um ein Verhüllen, sondern vielmehr um die Spurensuche der Identität, um eine Selbstvergewisserung.

Die Haut, die Körperoberfläche ist der Ort der Identitätsbildung. Hier verknüpft sich das Innere mit dem Äußeren zum Individuum. Das Selbst – dessen Sitz, bildlich gesprochen, im Inneren des Leibhauses lokalisiert ist – vermittelt sich an der Oberfläche. Die Haut steht für den ganzen Menschen, für seine äußere Erscheinung und für sein Wesen. Die Papierhülle ist ein Porträt der Physis und der Psyche.


Lag der Schwerpunkt der Arbeit in den letzten Jahren noch in der Beschäftigung mit der Körperlich­keit, so hat er sich nun in Richtung einer Auseinandersetzung mit dem Leben an sich verschoben.Im aktuellen Werk geht es nicht mehr um die Gesamtheit der Körperform, sondern ihre Einheit ist nun in Teilstücke aufgesplittert. Einzelne Fragmente wurden extrahiert und in einem sich immer stärker verselbständigenden Prozess weiter verformt, so dass sie nur noch am Rande an ihre Herkunft erinnern. Sie gehen in einem größeren Zusammenhang von organisch wucherndem Leben auf. Nicht mehr die Form selbst ist mit dem Körper zu identifizieren, sondern die Gesamt­heit von Material­beschaffenheit, formaler Ausarbeitung, farblicher Gestaltung und räumlicher Anordnung macht sie zu Symbol- und Gefühlsträgern, die organisches Werden, Leben und Absterben suggerieren. Das ist unmittelbar in den Rauminstalla­tionen sinnlich erfahrbar. Die unterschiedlichen Aspekte des Lebens – Lust und Leid, Freude und Trauer, Überfluss und Mangel, Üppigkeit und reduzierte Strenge – sind veranschaulicht und durch die Farben Rot und Schwarz symbolisiert. Die Rezipienten finden sich inmitten eines Organismus‘ wieder, der berührt, der gefangen nimmt und von dem man intuitiv spürt, dass man selbst Teil davon ist.




Biografie:

1939 geboren in Königsberg in Ostpreußen
1952 Übersiedelung nach Bochum bzw. Mülheim an der Ruhr
1972 Aufnahme des Kunststudiums und der künstlerischen Tätigkeit
Studium der Germanistik in Duisburg
1980 Übersiedelung nach Stuttgart
1983-85 Auslandaufenthalt in Italien
1985 Übersiedelung nach Klagenfurt
Galerie- und Verlagstätigkeit
seit 1992 ausschließlich künstlerische Beschäftigung
lebt und arbeitet in Kaning in den Nockbergen in Kärnten
zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland (Auszug):

Museum Folkwang in Essen
Städtisches Museum Mühlheim an der Ruhr
Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg
Galerie Falzone Fine Art, Berlin
Kunstverein für Kärnten, Klagenfurt
 
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